Material zum Film ãDer Tanz mit dem TodÒ von Eckhard Blach

 

Hans Henny Jahnn: Neuer LŸbecker Totentanz1

 

 

– Geschrieben zum Ostseejahr, LŸbeck 1931, nicht aufgefŸhrt

– Funksendung im NWDR um 1931, Bearbeitung: Ludwig Benninghoff

– Vorgetragen in der LektŸrenbŸhne, Hamburg 1951 mit einer Musik von Yngve Jan Trede fŸr vier Blasinstrumente und Pauke. ãEin Versuch, das Festspiel nun endlich nach LŸbeck zu verpflanzen, scheiterte schon in den Vorverhandlungen.Ò

– UrauffŸhrung einer neuen Textfassung und einer Musik von Yngve Jan Trede

im Deutschen Schauspielhaus, Hamburg 17.11.1954 Hamburger Symphonieorchester unter Alfred Hering Regie: Hanskarl Zeiser

– AuffŸhrung der StudiobŸhne an der UniversitŠt Hamburg, 18.1.1963, Hamburger Symphoniker unter Yngve Tred, Regie: Claus Peymann

– AuffŸhrung des Thalia Theaters, der Freien Akademie der KŸnste und St. Jakobi-Kirche, Hamburg 27.11.1984 mit einer Musik von Tassilo Jelde, Regie: Klaus Terhoeven

 

 

ãIm Jahre 1930 erhielt ich aus LŸbeck eine Anfrage, ob ich bereit sei, zum Ostseejahr 1931 ein Festspiel zu schreiben.

Ich wu§te nicht, da§ man sich zuvor an Ernst Barlach gewandt hatte, der fŸr diese Arbeit

10 000 Mark forderte. Ich verlangte die HŠlfte und erhielt den Bescheid, da§ ich viel zu teuer sei und mich mit 2500 Mark benŸgen mŸ§te.

Das wiederum lehnte ich ab. Man versprach daraufhin, dem Verlage S. Fischer, der das Werk drucken sollte, fest 5000 Exemplare des Textbuches abzukaufen. (Dazu ist es nicht gekommen.)

Alsbald erfuhr ich die Nebenbedingungen. Ich hatte die Worte fŸr eine Kantate mitzuliefern, deren erstes 'Ostsee' sein mu§te, weil Walter Kraft, Organist der St. Marienkirche, bereits eine Fuge mit diesem Wort als Grundlage komponiert hatte.É

NŠchste Bedingung: Eine Szene ohne nennenswerten theatralischen Aufwand sollte auf dem Marktplatz in LŸbeck sein, etwa so ausgeformt, da§ eine RednertribŸne errichtet werden mu§te, die es notwendig machte, da§ der neugotische Brunnen daselbst abgetragen wurde. Nun, die Bomben haben ihn inzwischen entfernt.

Weitere Bedingung: Der zweite Abschnitt des Festspiels habe auf dem Lettner der St. Marienkirche vor sich zu gehen (dieser Lettner ist inzwischen gleichfalls zerstšrt).

Endlich: Der abendliche Schlu§ in der St. Katharinen-Kirche links und rechts vom St. JŸrgen, der den Drachen tštet. Es ist dieselbe Kirche, in der Jan Adam's Reinken begraben liegt. Das schšne, auf Kupfer gemalte Bild von seinem Epitaph wurde damals gestohlen. Ich darf versichern, da§ nicht ich der Dieb gewesen bin (was der eine oder andere vermutet haben mag).

Der Rahmen des Epitaph ist noch immer leer, die Grabplatte des Orgelmeisters, damals noch an ihrem Platz, liegt nicht mehr im Boden, der geduldig kŠmpfende St. JŸrgen hat seinen Platz wechslen mŸssen, scheinbar grundlos, denn in der Stora Kyrkan von Stockholm darf er den Altar bekršnen. Doch die Kirche St. Katharinen steht noch.

Mir wurden dann noch die Anregungen gegeben, ich mšchte mich eines lŸbeckischen Stoffes bedienen, etwa des Totentanzes; doch mŸ§te ich mich verpflichten, diesen Vorwurf versšhnlich ausgehen zu lassen, dergestalt, da§ die Zuhšrer am Ende der AuffŸhrung geschlossen aus der Kirche wanderten, um sich unter dem Abendhimmel Feuerwerk und Freiluftkino anzuschauen.

Die Summierung dieser Bedingungen rief in mir begreiflicherweise einigen Mi§mut hervor.ÉÒ Hans Henny Jahnn, 19532

 

ãWir standen in der Totentanzkapelle.

Rings herum an den WŠnden war der Tod gemalt,

wie er den Reigen tanzt mit allen Menschen

dieser WeltÉ – Ein jeder sagte seinen Vers,

so glatt und rhythmisch, wie ich selten Verse las.

Und immer sang der Tod den Takt,

im selben Versma§ leicht und hart die Antwort.

Es ist gleich und dennoch sind es andre Worte,

nicht wie Variationen eines Themas, nicht wie eine Fuge, die von Satz zu Satz anwŠchst –

ich w٤te einen Vergleich nur den mit Shakespeare,

wie er von seinem Freunde singt,

wie er fŸr gleiches immer ungleich wechselnd

Reim und Worte findet.

ÉSie sind sehr gut, diese Verse

– man mu§ den Tanz nur tanzen sehen und heimlich lauschen, wie doch ein Zittern in den rhythmischen GesŠngen liegt. –

Und die Bilder – um die zu fassen,

mu§ man ermahnt sein – weil sie sonst

entsetzlich ekelhaft sind.–

Warum haben die Deutschen denn nur den Tod

als brŠunlich morsches Gebein erschaut,

warum als Schreckbild, das der Hšlle entsprang, warum als Beinhaus eines vielleicht adligen Leibes?

Die Griechen sind nicht so grausam gewesen.

Sie kannten nur den schšnen JŸngling

mit der gesenkten Fackel.

Sie waren klar und einfach.–

Klarheit ist Vergessen in Schšnheit.

Die Kirche aber hat ein ekelhaftes Fegefeuer aufgebracht, hat den Erlšser als ein mageres Gestell in Holz und Stein geschnitzt und sich berauscht an seiner blutenden HЧlichkeit.–

Sie hat keine Liebe gelehrt, sie hat das Grauen gelehrt, die Menschen haben nicht gebetet vor der Schšnheit, sie haben sich vor dem Entsetzen

heiser geschrien im Gebet.

Es ist schrecklich in jener Totentanzkapelle

zu Marien in LŸbeck –

und doch die Mšnche und Nonnen sa§en Stunden–, tagelang auf den dunklen, eichenen BŠnken

und haben sich die Augen verbrannt

und Sinne verwirrt und alles Schšne

verdammenswert gefunden.

Daher sind alle SŸnderinnen

schšn gewesen.Ò

Jahnn, Tagebuch, 12.1.19153

 

 

 

ãEINEN TUSCH F†R EUROPA

 

fŸr Petersdom und Reste des Panthenons, fŸr die ganze Gotik und fŸr den Eiffelturm meinetwegen. Ein Tusch fŸr alles, was da vorgefallen ist, ein dreifach Hoch fŸr Praxiteles, Louvre, Kant und Britisches Museum, fŸr alle BŸcher, alles Gemalte und so weiter und so weiter. Jetzt beginnt das Finale, Abendlands letztes StŸndlein, das Isotopenfinish. Europa hei§t der Zirkus, die muffige Arena, es wird hšllisch interessant. Was hei§t hier Vollmond, was hei§t hier Mozart dŸdelŸdŸt, – jetzt ist Rummel, hier ist was los, die Fachleute lassen ihre Bomben los und geben die Bakterien frei, zurŸcktreten von der Bahnsteigkante, ja, alles mitschunkeln und trinkt Coca Cola, denn siehe: Das Gute setzt sich durch. Ja das Gute setzt sich durch, altes geliebtes Europa, mit deinen schimmeligen Sprichwšrtern und deinen wackligen Wei§heiten. Die Motten sind in deinen LehrsŠtzen, die jetzt ja alle leider widerlegt werden. Das Schwache fŠllt und das Starke gleich hinterher, das wird vielleicht ein Trubel. Bei Schnupfen, Husten, Heiserkeit nehmen wir Wybert, und gegen Gasbrand natŸrlich Nivea. Das haben wir noch liegen von der letzten Hšhen- sonnensession. Oder vielleicht CouŽ: Mit jedem Tage geht es mir ja in jeder Hinsicht immer besser und besser, der weltliche Rosenkranz, sechzigmal am Tag runtergebrabbelt lЧt Ihnen Beine und Arme wieder wachsen. Die StŸmpfe grŸnen und die Stummel schlagen aus. Ich verstehe immer Mond ist aufgegangen. Kinderchen, Kinderchen, die Welt geht unter, das ist der dernier crie, seht zu, wie Ihr rauskommt. Vielleicht Ÿberleben ja einige minderwertige Kontinente. Also los, schnŸren Sie ihr BŸndel, machen Sie schon, hopp hopp, lieber Mensch aus Exeuropa. Retten Sie, meine Herren, Ihren wertvollen Samen Ÿber die Katastrophe hinŸber. Emigrieren Sie mit ihren ungeschŸtzten SŠcken in strahlenŠrmere Gegenden, dies hier ist die Entscheidung, wer hier noch wieder rauskommt, der ist fŸrs erste geborgen. Schert Euch in den Dschungel, begebt Euch au§er der Zeit, werdet Anachronisten und zurrt Eure Sterne Ÿber dem LianengestrŸpp hoch.

Das Gute setzt sich durch. Jesus setzt sich durch. Sokrates setzt sich durch. Konfutse liegt gut im Rennen. Chinesisches Tao: Geld. Wir packen schon: Messer, Gabel, Schere, Licht – noch was vergessen? Eine Thermosflasche voll Lethe und ab bevor sie uns ansprechen. Hereinspaziert, hereinspaziert: Sie sehen ein kurzes Sondergastspiel: Europa, die Dame ohne Oberleib, das wissenschaftliche Wunder, die Fachwelt steht Kopf, von offizišser Seite beglaubigt, wenn Sie enttŠuscht werden, – Geld zurŸck.

Frage: Wer erlšst die abendlŠndische Dame vom SpŠtorgasmus? Wer schenkt ihr noch schnell die Vollbefriedigung? Aber macht zu, gleich gehts los und ruck-zuck ist diese Gegend hier im Arsch. Und Amerika wird sich umgucken, aber das soll uns jetzt gleich sein. Da werden sie sitzen in ihren bleigefŸtterten Kellern und beten das Motorunser, das liebe Bombe die Du fŠllst vom Himmel, das Ave Uran, aber das wird ihnen nicht viel nŸtzen, denn soviel Druck und soviel Hitze, das hŠlt kein Eiweis aus, das Ÿbersteigt die WiderstandsfŠhigkeit von Menschenfleisch.

Na, und Ihr, Dichter Europas, hšrt mal zu, la§t mal fŸr einen Moment das Dichten. Was Ihr jetzt noch treibt, Clownerien im Angesicht der Apokalypse, glaubt Ihr, da§ Euer Aufgeschriebenes Euch rechtfertigen wird? Ihr hŠttet, Ihr alle zusammen hŠttet es in der hand gehabt, den endgŸltigen Frieden zu proklamieren. †ber die Kšpfe der VerrŸckten hinweg. Ihr habt versagt, Kassierer von Honoraren und Ehrengebammel. Verpi§t Euch getrost, Ihr habt nun wirklich nichts zu verlieren, steckt Euer dŠmliches Gedichte auf. Der Kulturspuk ist jetzt endgŸltig vorbei.

Dies ist die gro§e Zeit fŸr Physiker und Bakteriologen. Die machen jetzt high life, die ziehen jetzt das Fazit aus ihren Inspirationen. Was sollte blo§ das alberne Geheile? Das langwierige Torsowiederaufmšbeln? Das šde Fragment- geflicke? Jetzt arbeiten wir alle mit Hochdruck an einem bravouršsen Abschlu§, an einem modernen, der all die stŸmperhaften Katastrophen frŸherer Zeiten in den Schatten stellt.

Jawoll olles, dussliges Abendland, mit Deinem wildgewordenen Ableger Amerika, dressier Deine Frauen noch mal auf vollbusig und la§ Deine Herren sich auf Dauererektion trainieren. Jetzt hat auch der Dummste eingesehen, da§ die ganze kultur ein Holzweg war und die mickrige Talmiewigkeit eines Original-GrŸnewald verflammt in der grš§eren RealitŠt von einigen tausend Grad Hitze. Und nur das Gute setzt sich durch. Mein Prinzip: QualitŠtsware! Das Beste am Menschen ist noch das Skelett, das hŠlt am lŠngsten.

TschŸs Europa! Morgen bist Du nackt bis auf die Eingeweide, morgen brennt Dir das Fleisch von den Knochen, oh schocking! WŠhlen wir noch schnell die Miss Atomzerfall, die Miss Knochenfrass, Misswuchs, Missernte, Missgeburt. Noch schnell einen Rekord, noch schnell ein Rennen um den gro§en Preis von Dingsbums, noch schnell irgendwas um die Wette tun. VervollstŠndigen Sie noch rechtzeitig Ihre Briefmarkensammlung, dann ist der Exitus wenigstens fŸr Sie einigerma§en sinnvoll. Nur noch einmal nach Italien, dann war Ihr Leben komplett, dann hat es die letzte Rundung.

Pfropfen Sie in sich hinein, was sich Ihnen bietet, Schlagsahne, Lyrik und Šhnliches, lernen Sie noch rasch das Violinspiel, Franzšsisch, Latein, Botokudisch. VervollstŠndigen Sie Ihre Bildung oder versuchen Sie noch noch heute, Ihren morgigen Tod theoretisch zu erfassen. Kommen Sie in Stimmung! Lesen Sie die 18seitigen Sterbevorschriften und Verhaltensma§regeln fŸr WasserstoffbombengeschŠdigte! Den Schlachthofknigge. Den guten Ton des Totalgolgatha. Karbon 14, das dabei frei wird, vergiftet die AtmosphŠre auf ziemlich weite Sicht. So bei 2000 oder 3000 Jahre. Good bye Piccadilly, fare well, Leicester square, lieb Heimatland a.D.Ò4

 

 

Jahnn, Die Niederschrift des Gustav Anias Horn, II:

Ich begann ihn anzuflehen, der Vernunft einen kleinen Platz einzurŠumen; der Besuch des Arztes kšnne ja nicht schaden.

ãDochÒ, sagte er gelassen, ã– das hei§t – ich habe dein Versprechen noch gar nicht erhalten.Ò

ãWelches Versprechen?Ò fragte ich schnell.

ãMich nicht allein zu lassenÒ, sagte er, ãmich nicht fortzugeben, wenigstens zwei Jahre lang nicht. Man wei§ niemals, was auf den Kirchhšfen oder an den GrŠbern geschieht. – Hier im Hause wird mir nichts geschehen. In deiner NŠhe bin ich geborgen. Ich bin immer in deiner NŠhe geborgen gewesen.Ò

Ich verlor einen Augenblick lang die Fassung. Vielleicht schrie ich; jedenfalls sagte ich: ãDu sprichst von deinem Tod. Ich soll deinen Kšrper bei mir behalten –Ò

ãDu sollst es mir versprechenÒ, sagte er.

ãDies GesprŠch ist verfrŸhtÒ, sagte ich in hšchster Not.

ãDen Arzt will ich nichtÒ, sagte er fest, ãmeine ungeheuerliche Bitte kannst du mir verweigern. Der Tod trennt vieles. Uns trennt er nicht ganz. Ich nehme etwas von dir mit, du behŠlst etwas von mir.Ò

Ich wollte seine Rede unterbrechen, weil ich wŠhnte, seine Gedanken wŸrden dadurch eine andere Wendung nehmen. Er aber fuhr fort: ãDu bewahrst den Beckenknochen des Tauchers. Wenigstens meinen Beckenknochen sollst du bei dir behalten.Ò

Schnell, damit er nicht weiterrede, gab ich ihm mein Versprechen, nach seinem Tode fŸr ihn zu sorgen, wie er es wŸnschte.

Er antwortete mir: ãDafŸr kann ich dir nicht einmal danken. Es ist so viel, was du versprichst, und so schwer ist es, es zu halten, da§ man es nur hinnimmt. Meine Sorgen sind vorbei. Aber du begreifst wohl, da§ wir den Arzt nicht brauchen kšnnen. Er ist ein ordentlicher Mann. Er glaubt an die Hygiene. Er will ein verbŸrgtes BegrŠbnis, nicht eine Verwesung Ÿber der Erde. Er wei§ ja nicht, wer wir sind, da§ ich ein Mšrder bin, da§ ich auf lange Zeit aus dem Kreislauf ausscheiden mšchte. Tote haben keine Rechte. Das wird er sagen. Wir wissen es. Es gebricht uns nicht an Wissen und Erfahrung; wir ahben gesehen, wie die Menschenwelt eingerichtet ist. Bis zum Letzten aber wollen wir uns widersetzen.Ò

... Ich begann den Kšrper zu streicheln. Langsam fŸllten sich mir die Augen mit TrŠnen. Und wieder wu§te ich, wie sehr ich ihn geliebt hatte, wie sehr ich den toten Kšrper noch liebte, wie unvergleichlich unser Leben gewesen. –

Ich hatte Pflichten gegen den Leichnam. Es schien mir ganz natŸrlich, da§ ich ihn bei mir behalten wŸrde. Ich kŸ§te das verbrauchte Fleisch, das um seine Seele gewachsen war. Tief, im Mark der Knochen, waren die Bilder seines Schicksals noch aufbewahrt. Da war auch mein Bild aufbewahrt. Eine Spur meines Blutes war mitgestorben.Ò 5

 

 

ãDa§ ich das Problem des Todes,

der Verwesung und der fragwŸrdigen Unsterblichkeit, dazu deren scheinbare Ursache,

die Belohnung des Lebens mit Sehnsucht und Lust

– den Raum des Lebens,

der der BeschŠftigung abgewandt ist,

in ganzer Konsequenz habe darstellen wollen,

das ist mir immer bewu§t gewesen.Ò

ãIch kšnnte Seite um Seite die Einzelheiten aufzŠhlen,

die mich bedrŠngen – und das Wesentliche,

die Lebensangst, die Todesfurcht hŠtte ich nicht genannt. Ich beneide jedes durchschnittliche Leben.Ò (25.7.1959)6

 

ãJahnn ist nichts weniger als ein Obskurantist und Dunkelmann des spŠtbŸrgerlichen Irrationalismus. Dieser so vielseitig Begabte war Baumeister, Rechner, Orgelbauer, biologischer Experimentator: stets sachkundig und erfolgreich in der Leistung,

wenngleich nicht im Sinne der GeschŠftswelt.

Der Schriftsteller schreibt klar, fast trocken, durchaus nicht mystisch 'raunend'.

Selbst gelegentliche Dunkelheit entspringt nichtÉdem Willen zur Undeutlichkeit.É

Da ist au§erdem ein Leben ohne Kompromisse.

Norwegisches Exil im ersten Krieg, dŠnische Einsamkeit im zweiten.

Ha§ und Verachtung fŸr Kaiser wie FŸhrer.

Nie hat man es anders verstanden. mit nur wenigen wurde Jahnn im Jahre 1947, auf Vorschlag Thomas Manns, mit der NeubegrŸndung eines PEN-Zentrums der deutschen Schriftsteller betraut. Die Vita eines Irrationalisten und GegenaufklŠrers

sieht anders aus; meist ist sie erfolgreicher.Ò (Hans Mayer)7

 

ãHans Henny Jahnn hatte stets all seine so vielfŠltigen

und durch Wissen gefestigten Begabungen als Ersatzhandlungen empfunden: als Kraft des Schwachen. Produktion vermag das Vergessen nicht zu bannen. Niederschriften geben nicht dem Lebenden ein †berleben. Gegen Verwesung aber sollten die KŸnste der €gypter helfen, jedenfalls gut gesicherte GrabstŠtten. Granit und Metall sind besser als das Wort.

Die Zeit ist weit/ und sehr dŸnn/ und wird schlechter mit der Ewigkeit.Ò (Hans Mayer)8

 

ãAn Jahnn ist viel gesŸndigt worden. Er hat es den SŸndern immer leicht gemacht. Was seit AnfŠngen, auch von freundlichen Beurteilern, als interessanter kŸnstlerischer Sonderfall gedeutet wurde, erweist sich heute, besonders in allen BrŸchigkeiten und WidersprŸchen des Werks und zwischen dem Mann und seinem Werk, also eine bedeutende Vorwegnahme von Fragen unserer und der kommenden €ra.Ò (Hans Mayer)9

 

 



1 Texte aus dem Programmheft ãLŸbecker Totentanz von Walter Kraft – Auseinandersetzung mit einem ThemaÒ, Redaktion: Eckhard Blach, UrauffŸhrung 8.5.1992, St. Petri LŸbeck

 

2 Hans Henny Jahnn: Zum 'Neuen LŸbecker Totentanz', vollstŠndiges Manuskript im Hans Henny Jahnn-Archiv, Hamburg, maschinengeschrieben 1953, Auszug im Programmheft der Auff. 1984 (Thalia Theater – 040/32 814 -0 –, Freie Akademie der KŸnste, St. Jakobi, Hamburg

 

3 Hans Henny Jahnn: LŸbeck, Tagebuchaufzeichnung vom 12.1.1915 aus dem Hans Henny Jahnn-Archiv

 

4 Text aus dem Hans Henny Jahnn-Archiv

 

5 Die Niederschrift des Gustav Anias Horn, Band 2, MŸnchen 1950, S.157 f. und S.161(Stadtbibliothek: Lit 273 Jah 5/3:2,2

 

6 Aus dem Hans Henny Jahnn Lesebuch, Hamburg 1984, S. 271, 267 (25.7.1959)

 

7 Hans Mayer: Versuch Ÿber Hans Henny Jahnn, Aachen 1984, S.33

 

8 Hans Mayer: Versuch Ÿber Hans Henny Jahnn, Aachen 1984, S.64/65

 

9 Hans Mayer: Versuch Ÿber Hans Henny Jahnn, Aachen 1984, S.74